Dankbarkeit

Es ist Mitte Winter und draußen hat es minus 16 Grad. Meine Fingerspitzen spüre ich kaum noch. Nicht einmal meine Wollsocken, die ich trage, helfen gegen die Kälte. Meine Zehen sind kalt. Mein Körper fängt an zu zittern und fährt auf Hochtouren, um meine wichtigen Organe mit Wärme zu schützen. 

Jeder Atemzug fällt schwer und automatisch reibe ich meine Hände und die Beine, um etwas Wärme im Körper zu erzeugen. Ich habe keine Chance gegen die Kälte! Mein Körper kühlt rasant.

In diesem Moment würde ich alles tun, um ein wenig Wärme zu bekommen. Minutenlang draußen spüre ich den kalten eisigen Wind, der mir wie ein scharfes Messer in mein Gesicht, Zelle für Zelle, schneidet.

Es ist Zeit nach Hause zu gehen. Schlüssel reinstecken, aufsperren, eintreten, und dann auf einmal spüre ich dieses Gefühl der Dankbarkeit. Dankbar für diese warme Luft, die mich sofort umhüllt wie eine warme Decke. Ich bin zu Hause angekommen. In diesem Moment bin ich für mein Zuhause dankbar. Nachdenklich, was das Leben so wertvoll macht, und dass wir all diese Banalitäten für selbstverständlich erachten. Genau diese Momente der Dankbarkeit machen unser Leben bunter. Dankbarkeit gibt Raum für Träume.

Ich frage mich manchmal wie andere Menschen das alles aushalten. Menschen die kein Zuhause haben, die draußen in der Kälte oder in der Kanalisation schlafen? Für was sind diese Menschen dankbar? Für das, dass sie noch am Leben sind?

Man hört manchmal im Radio, dass der ein oder andere im Schlaf erfroren ist. Und dann bin ich erneut dankbar, dass ich eine Arbeit habe, die mir all diesen Wohlstand ermöglicht.

Abends vor dem Schlafengehen ein Bad nehmen und spüren, wie das heiße Wasser meinen Körper wärmt und reinigt, von all meinen Sorgen um morgen.

Reichlich Öl ins Wasser geben und einfach diesen Moment in mir spüren, wahrnehmen, Zeit für mich, genießen. Dafür bin ich dankbar.

Was macht unser Leben so wertvoll?

Das Auto streikt wieder einmal. Es ist kein Wunder für ein 20 Jahre altes Auto. ÖAMTC anrufen. Mitgliedskarte Nr. durchgeben. Auto springt nicht an. Der Mechaniker vermutet es sei die Benzinpumpe. Könnte sein.  Dann schleppt er mein Auto in die nächste Werkstatt. Auto muss repariert werden.

Am zweiten Tag die Werkstätte besuchen. Wie viel wird das Ganze kosten? Bitte um Kostenvoranschlag. Schnell erledigt und repariert. Zwei Wochen später springt das Auto wieder nicht an.

Was ist jetzt schon wieder?

ÖAMTC anrufen. Dann bricht meine ganze Welt zusammen. Traurigkeit in mir. Warum passiert das genau mir? Und ich bin auf das ganze Leben wütend, weil ich mir kein besseres Auto leisten kann.

Auto springt wieder an und sofort steigt in mir die Hoffnung. Es ist doch gar nicht so schlimm, es geht wieder! Bei diesem Gedanken kommt erneut dieses verstärkte Gefühl der Dankbarkeit hoch. Dankbar, auch dieses alte Auto zu haben. Es fährt bestimmt noch hunderttausend Kilometer weiter. Meine Gedanken.

Der Lack sieht auch nicht so schlecht aus. Im Sommer den Rost entfernen und dann darüber lackieren. Von weitem sieht es niemand, dass keine echten Handwerkerhände dabei waren.

Ich bin dankbar, dass mein Auto noch fährt, dankbar, dass ich damit in den Urlaub fahren kann. Dankbar für all das, was ich besitze.

Selbstverständlich, dass es etwas Besseres gibt. Man sollte genügsam sein.

Essenszeit, und meine Tochter singt ihre Lieblingsmelodie. Sie mag keine Hühnersuppe und das Hauptmenü mag sie auch nicht, obwohl der Kühlschrank voll ist. So unterschiedlich leben wir.

Als ich klein war hatte meine Mutter kaum Geld. Ihr tägliches Geschäft war Verkauf von gerösteten Sonnenblumenkernen. Das Geld reichte kaum um Lebensmittel zu kaufen.  Manchmal gab es am Abend nur ein Stück Brot mit Butter und einen Tee dazu. Damals schwor ich mir selbst, dass ich diese Armut verlassen werde und nie wieder Hunger leiden muss. Mein Kühlschrank wird immer voll sein.

Jetzt bin ich selbst erwachsen und muss nicht mehr Hunger leiden.  Dafür bin ich sehr dankbar. Wenn ich für meine Tochter ihre Lieblingsspeise kochen kann mit hochwertigem Parmesan. Bioeier aus Freilandhaltung, Olivenöl, Käse und reichlich Fisch. Dankbar für alles, was ich besitze.

Der Winter wird länger andauern. Meine Nase ist verstopft, mein Hals tut mir weh. Ich huste den ganzen Tag. Mir geht es schlecht, mein Körper kämpft gegen die Grippe. Ich bin hilflos, mein Körper ist ständig müde, ich habe keine Kraft um irgendetwas zu tun. Ich lege mich früher ins Bett, daneben einen heißen Tee und Gute Nacht.

Frühmorgens aufgewacht, mein Hals schmerzt weniger, die Nase ist nicht mehr verstopft. Dann bin ich sehr dankbar, wieder gesund zu sein. Dankbar dafür, dass ich wieder gehen kann. Dankbar, an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Zeit mit meiner Tochter zu verbringen und das Leben genießen.

Dankbarkeit ist ein Gefühl, das uns den ganzen Körper mit Güte umhüllt.