Ist da Jemand?

Die Wörter in meinem Kopf.
Dauernd diese Stimme, die ständig fragt
Ist da jemand? Im dunklen Raum
Ein kleines Kind weint. Ist da jemand?

Warte, ich muss beten! Das kleine Mädchen holt ihren Rosenkranz und fängt an zu beten. Danke lieber Gott, dass du armen Menschen hilfst, danke Gott, dass der Strom bezahlt ist, danke Gott, dass unser Kühlschrank voll ist. Ruhe im Raum. Psst!

Ein Tag vor den Feiertagen. Valentinstag, Muttertag, Osterbasar, Vatertag, Sommerfest, Oktoberfest, Geburtstag, Christkindlmarkt, Silvesternacht. Der Einkaufsbummel.  Die Geschäfte sind alle noch zu, sie sperren erst in einer Stunde auf. Media Markt, Saturn, haben Fernseher und Handys im Angebot, dann kommen die Menschen wie Fliegen, wenn sie ein Stück Scheiße entdecken. Autoparkplatz, keine Frage. Jeder Parkplatz ist belegt. Ich fahre lieber mit dem Fahrrad in die Stadt. Ich sehe mich mitten in der Menschenmenge an und beobachte das alles. Alle sind in Eile.

Es sieht so aus, als ob sie Vorräte für den bevorstehenden Krieg besorgen wollen. Russland und China, Iran, Nordkorea, drohen ständig mit Atomwaffen.  Stimmt das? Ist da etwas im Busch? Hab im Radio nichts gehört. Mit wem sind wir im Krieg?

Warum hat mich keiner informiert? Aber das wird schon stimmen. So viel wie die Menschen vor dem Feiertag einkaufen. Überfordert meine Vorstellungskraft.  

Die Müllentsorgung in diesem Land funktioniert gut. Nicht wie in Italien. Hier kommt der Mülltransporter jeden Donnerstag, kurz vor sechs Uhr früh, pünktlich an. Noch nicht abgelaufene Produkte in einem schwarzen Müllsack. Schwarz über Schwarz, Plastik über Plastik. Öfter wurde beobachtet, dass sogar nur wenige Stunden nach der Entleerung, die Mülltonne wieder halbvoll war.  Komplett voll mit Lebensmittelresten, unsortiert, Papier vermischt sich mit einigen Pizzaresten. Sie werden zusammen verfallen.

Der Mensch wirft alles in den Müll, weil er zu viel hat. Der Kühlschrank ist voll. In der Speisekammer kurz nachschauen, Vorräte bis nächste Woche eingekauft. Gut so, denkt sich vorsichtig der Mensch.

Billa hat am Feiertag zu gemacht, das ist sogar mir aufgefallen. Ich fand es gut. Ein Konzern der mal anders ist. Positive Veränderungen wie diese sind immer willkommen. 

Eierschwamm, Riesenpilze oder Champignons. Nach dem Regen wachsen sie alle.  Sie wachsen aus dem Boden, genau wie unser neuer Billa und die Apotheke, die in nur wenigen Monaten gebaut wurden. Wow. Das ging ja schnell. Ich bin schockiert. Ich muss mich wieder an die neue Umgebung gewöhnen. Keine Bevölkerungsanfrage?

Die Wirtschaft muss weiter laufen wie ein Monopoly - Spiel.    

Das Spendenriesenrad des neuen Landesregierungsplans dreht sich für 30 Tage. Start!

Am 31.12 sind alle Leitungen der Spendenhotlines besetzt „Bitte versuchen sie es später noch einmal“ sagt die Roboterstimme. Millionen hat das Land an Spenden gesammelt. Stopp, es ist genug! Erwidert ein Richter und hebt den Hammer.

Kurz das Spendenkonto anschauen und sich selbst Fragen stellen. Hat sich das dieses Jahr gelohnt? Inklusive Nebenkosten, welche die Stadt zu tragen hat. An dem Spendenkonto ist eine lange schwarze Zahl zu sehen. Es kann vierstellig, siebenstellig, oder sogar neunstellig sein. Das kann niemand genau sagen. Das bleibt vor dem Bürger geheim. Wo wird das Geld ausgeteilt?

Funk und Medienwerbung darf in dieser weihnachtlichen Zeit nicht fehlen. Immer wieder von Anfang Dezember bis zum Neujahr. Schwarz am Bildschirm, eine Kinderstimme. Ist da jemand?

Die Solidarität der Bürger ist groß. Ich spende auch ab und zu mal etwas. Kleinigkeiten. Die Bibel sagt, schenke eines, bekommst du zwei.

Ich muss euch etwas gestehen. Ich habe schon immer davon geträumt. Meinen Namen einmal in der Zeitung zu sehen. Und zu sagen. „Schau, das ist mein Name, in der Kleine Zeitung! Auf Seite 24“.

Die 20 Euro Spende hat sich dieses Jahr gelohnt. Nicht nur, dass es den hilfsbedürftigen Menschen hilft und sie unterstützt. Inklusiv-werbung für mich selbst. Um einfach dazu zu gehören. Als Großunternehmen Steuern zu sparen. Alle sind in dieser Zeit großzügig. Sie machen sich keine Sorgen. Es kommt alles wieder zurück bei dem Steuerausgleich. Kann man nur sagen: gut gemacht, gut investiert. Die Kinder, die im Dunkeln sitzen, freuen sich dieses Jahr bestimmt wieder. Ich glaube, es sind immer die gleichen Kinder. Die Stimme ist immer die gleiche. Wird er nicht endlich mehr erwachsen?       

Ein Kind, Stimme männlich oder weiblich. Das ist dir überlassen, zu entscheiden. Deine Phantasie. Die Stimme scheint aus der Ferne zu kommen. Ist die Türe zu? Man kann es nicht gut hören. Mach sie doch auf. Ist da jemand?

Im Dunkeln alleine, das Kind am Boden sitzend, Kopf nach unten, seine Hände halten seine Beine fest. Er glaubt in der Geisterbahn zu sein. Vor sich Bilder sehend. Ein Clown in einer riesigen Kartonschachtel, mit großer roter Nase, viel Schminke im Gesicht, an Federn gebunden, springt. Versteckt sich hinter dem Kind und lacht. Ein Totenkopf, von der Decke herunterkommend, ist plötzlich vor seinen Augen. Er hat Angst, will hinaus aus dem Zimmer. Es geht nicht. Heute zum dritten Mal Stromausfall. Es passiert öfter im Russland. Es ist normal. Das eine Kind weint. Es weint noch immer. Kein Licht im Dunkel. Ist da jemand?

Hol doch endlich eine Kerze aus dem Keller.